Instructors: Prof. Dr. Karsten Fischer
Event type:
Seminar
Org-unit: Studentische Forschung
Displayed in timetable as:
VSPAIR_I
Hours per week:
3
Credits:
7,5
Location:
Campus der Zeppelin Universität
Language of instruction:
German
Min. | Max. participants:
5 | 35
Course content:
Die gängige Beschreibung der politischen Moderne lautet, dass Politik, Verwaltung und Rechtsprechung ihre Arkanität verloren haben und diese Transparenz liberaler Institutionen mit einem Schutz der Privatsphäre vor staatlichen Zugriffen verbunden ist, so dass die Geheimhaltung gleichsam vom Staat in das Private verschoben worden ist. Gegenwärtig erleben wir aber eine gegenläufige Entwicklung, in der nicht nur Geheimdienstaktivitäten zunehmen, sondern staatliches Handeln zunehmend intransparent wird.
Das gilt nicht nur für Extremphänomene wie Guantánamo und die Five Eyes, sondern für viele Aspekte der innerstaatlichen und internationalen Sicherheitspolitiken, die immer stärker auf die geheimdienstliche Überwachung der in den sozialen Medien erfolgenden, digitalen Kommunikation der Bürger(innen) setzen, wie nicht nur die Enthüllungen Edward Snowdens zeigten, sondern auch ein spektakulärer Satz des ehemaligen NSA-Direktors Keith Alexander: »If you want to find the needle, you need the haystack.«
Aber auch traditionell unantastbare Bereiche privater Autonomie wie das Bankgeheimnis, das Leben im öffentlichen Raum und die Gesundheitsvorsorge werden zunehmend innovativen Formen der Überwachung unterworfen, die teilweise auf freiwilliger Selbst-Überwachung und mithin auf zumindest stillschweigender Akzeptanz beruhen. Und mit dem vom Wahlkampfteam Barack Obamas perfektionierten microtargeting ist sogar ein zentraler Bereich demokratischer Volkssouveränität zum Spielball von Big Data geworden.
Diese komplexe Problemlage gibt Anlaß zur der in diesem Seminar geplanten Aufarbeitung sowohl der empirischen Phänomene und ihrer möglichen Zusammenhänge als auch der Frage nach den politischen, soziologischen, ökonomischen, psychologischen und kognitiven Gründen der Akzeptanz von Überwachung. Hierzu gehört das Problem der Relation zwischen der Entwicklung von Digitaltechnologie und der Renaissance von Überwachungspolitik ebenso wie der Satz des Informatikers Chris Anderson, im Zeitalter von Big Data sei Kausalität veraltet und die Ermittlung von Korrelationen hinreichend.
Und schließlich werfen alle diese Probleme die normative Frage auf, welche Formen und Ausmaße von Überwachungspolitik, unabhängig von ihrer faktischen Akzeptanz, in liberal-demokratischen Verfassungsstaaten überhaupt als legitim gelten können.
Mandatory literature:
- Ball, Kirstie et al. (Hg.): Routledge Handbook of Surveillance Studies, Abingdon/New York 2012.
- Bauman, Zygmunt/Lyon, David: Daten, Drohnen, Disziplin. Ein Gespräch über flüchtige Überwachung, Berlin 2013.
- Boersma, Kees et al. (Hg.): Histories of State Surveillance in Europe and Beyond, Abingdon/New York 2014.
- Chesterman, Simon: One Nation Under Surveillance. A New Social Contract to Defend Freedom Without Sacrificing Liberty, Oxford etc. 2013.
- Fischer, Karsten: Überwachen und steuern. Was der Staat nicht wissen darf und auch nicht wissen wollen sollte, in: Kursbuch 180, Dezember 2014, S. 45-57.
- Geiselberger, Heinrich/Moorstedt, Tobias (Red.): Big Data. Das neue Versprechen der Allwissenheit, Berlin 2013.
- Haggerty, Kevin D./Samatas, Minas (Hg.): Surveillance and Democracy, Abingdon/New York 2010.
- Hempel, Leon et al. (Hg.): Sichtbarkeitsregime: Überwachung, Sicherheit und Privatheit im 21. Jahrhundert, Wiesbaden 2011.
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